Donnerstag, 10. Januar 2019
Die Nacht war sehr ruhig, von meinen Schlafstörungen abgesehen, aber das hat ja nix mit der Umgebung, sondern nur mit mir selber zu tun. Ich finde, dass ich zittere – Blutdruck möchte ich trotz vorhandenem Blutdruckmessgerät gar nicht wissen. Ich bin nervös. Hypernervös.
Rufe morgens in meiner Werkstatt daheim nochmal an – der Chef sei in Mitarbeiterbesprechung. Vielleicht sei er bis in einer Stunde verfügbar, die liebe Mitarbeiterin, die sehr engagiert ist, ruft mich nach 45 Minuten nochmal an, ich solle halt in die Werkstatt fahren und schauen, was die so rausfinden und dann würde man evtl. sehen, was zu tun sei. Also. Ich fahre in die Citroen-Werkstatt. Bin um halb neun da, bis um 9.36h dauert das, bis ich meinen Schlüssel abgegeben habe – das ist eine Schlafwagenabteilung par excellence, wie ich das noch nirgendwo erlebt habe. Hatte mittels Übersetzungsprogramm aufgeschrieben, was gemacht werden solle – Ölwechsel und Ölfilterwechsel seien gemacht, bitte Luftfilter wechseln, die Anzeige im Display zurücksetzen und Motor-Check wegen hämmernder Geräusche machen. Bis das alles beauftragt und aufgeschrieben und ausgedruckt ist, dauert das natürlich. Naja. Ich hatte mich nicht auf einen sonnigen unbeschwerten Wander- oder Strandtag eingestellt.
Ich gehe dann mal los – in Richtung Stadt. Dort steht im Hafen, der gut 3km entfernt ist, ein großes Kreuzfahrtschiff. Also mal in die Richtung quer durch das Industriegebiet hindurch, bis ich auf einen vorbildlichen Fuß- und Radweg komme. Über einen km weiter in Richtung Stadt zeigt sich auf einmal ein Bänkchen unter einem Baum – das wird meins und ich lasse mich unglücklich nieder. Viel zuviel hab ich mit Wohnmobilen schon erlebt, auf beinahe jeder Reise ist IRGENDWAS – es sollte Routine sein und Routine werden, Wohnmobilfahren ist nur teilweise Spass. Ein großer Teil ist auch teurer, teurer, Stress. Heute bin ich wieder nach so vielen schönen Tagen in diesem Modus.
Eine Stunde ist schon um, zwei bis drei solle ich warten. Lese in meinem Buch, gehe irgendwann zurück und bin um halb zwölf in der Werkstatt. Dort jetzt dasselbe andersrum, die Kunden werden instruiert, die Rechnung überreicht, ein Prozedere, Wahnsinn. Irgendwann komme ich dran, bekomme Mitteilung, ich müsse für das alles 68,30€ bezahlen (was ich auch in bar an der Caja tue) – und die Geräusche aus dem Motor lägen an der Einspritzpumpe.
Man sei hier nicht autorisiert, solche Reparaturen durchzuführen (hääääääää????? Ich bin in einer Citroen Vertragswerkstatt!!!!!!) aber es gäbe eine Firma Surdiesel in Puerto del Rosario, die sicher meine Pumpe ausbauen und begutachten und evtl. reparieren könnten. Wenn ich hier was diesbezüglich machen lassen würde, würde das 20 – 30 Tage dauern, man würde die Pumpe ausbauen, nach Las Palmas schicken, dort prüfen und reparieren lassen und auch wieder einbauen. Eine neue Pumpe würde auch so ca 3 Wochen dauern, bis sie käme. Bitttttteeeeeeee????????Leiderleider hab ich vergessen, nach dem Auslesecode zu fragen. Man könne leider nicht mehr für mich tun, im Moment sei das Fahrzeug fahrbereit. Klasse. Ich fahre mit einer Zeitbombe, die jeden Moment stehenbleiben kann. Bin höchst begeistert.
Warum beschleicht mich das Gefühl, dass mir hier nicht geholfen werden wird? Ich fahre zu dieser Surdiesel Firma, die in einem Industriegebiet nördlich von Puerto del Rosario ansässig ist. Das ist ein Bosch-Dienst, vor dem allerhand meist alte Fahrzeuge vor sich hin rotten und in der Werkstatt rege Betriebsamkeit ist. Ich kann einigermaßen erklären, um was es sich handelt, und der Chef kommt mit dem Terminbuch – und schlägt irgendwas um den 10. Februar auf – nein danke. Auch hier wird mir nicht geholfen. Wutfanfall und Heulkrampf helfen nicht, nur rationales Überlegen. Ich brauche einen Schnaps oder ein Bier. Beides geht nicht, ich will ja hier nicht übernachten. Aber ich bin total ausgebrannt. Die Zunge pappt mir am Gaumen, was soll ich tun. Habe echten, wirklichen Stress, weil ich nicht Herr dieser Situation bin und nicht weiss, wie ich die für mich rumreissen kann.Überlegen. Wenn ich.... dies und wenn ich … das..... am Ende rufe ich meine Werkstatt daheim an, was kostet eine neue Einspritzpumpe – ruft zurück – 850€ incl. Steuer, 30€ Versand nach Fuerteventura, erscheint mir machbar. Auf dieser verdammten Insel muss es doch einen Schrauber geben, der mir dieses Ding einbaut – das kann doch kein Hexenwerk sein.
Telefoniere mit meiner Freundin, die auf der anderen Seite der Insel mit ihrem Partner ist. Die ruft mich zurück – hatte ihr erklärt, dass am Dienstag eine Freundin von mir für 1 Woche kommen würde – die solle doch die Pumpe einfach mitbringen. Super Idee. So wird das jetzt alles organisiert. Die Werkstatt schickt die Pumpe an meine Kinder, die bringen die zu meiner Freundin in Deutschland, und die bringt die in einem aufgegebenen Koffer mit hierher. Dann hab ich imPannenfall mein Ersatzteil schon bei mir. Die Freundin, die am Dienstag kommt, hat Freunde in La Oliva, die kennen sicher einen Schrauber, der mir das Dings einbauen kann. Alles wird gut. Pah was ist mir schlecht vor lauter Organisieren.
Meine Freundin hier auf der Insel meint, sie würden nach Ajuy fahren – da wollte ich doch auch nochmal hin – sind 47km. Ich fahre rüber. Kästchen schnurrt. Tolle Landschaft, aber ich habe nur Augen für die Anzeigen und Ohren für die Motorgeräusche. Stress ist das schon, so zu fahren. Aber ich komme gut an. Großes Hallo, wir gehen auf ein Bier. Endlich!!!! Eine Kleinigkeit zum Essen gibt’s auch noch.
Und dann liege ich noch am Strand und schwebe zwischen totalem Unglück und Glückseligkeit. Sollte sich mein Schicksal nicht doch gegen mich verschworen haben? Wir sitzen im Carthago – später kocht meine Freundin aufwändig, ich esse einen Happen mit, mir ist nicht nach Essen, wir erzählen noch – und ich verabschiede mich um halb zehn. Es war unser letzter gemeinsamer Abend. Sie werden in den Süden abdüsen und nach Gran Canaria übersetzen, ich werde morgen wieder nach El Cotillo fahren, der Ort gefällt mir, es gibt dort alles was ich brauche, und werde dort auf meine Freundin Heidrun warten, die am Dienstag mit meiner Pumpe kommt, dann werden wir deren Freunde in La Oliva aufsuchen – und vielleicht die Pumpe einbauen lassen können. So ist der Plan. So ein anstrengender Tag. Aber ich habe Meeresrauschen. Herrlich.
Freitag, 11. Januar 2019
Ganz so gut habe ich nicht geschlafen – aber es hilft ja nicht. Die Sache läuft. Ein Telefonat am Morgen vermeldet mir, die Pumpe sei bereits in der Werkstatt und würde per DHL zu meinem Sohn geschickt, auch 9er PLZ Gebiet, also machbar, dass sie Samstag oder spätestens Montag ankommt. Alles gut. Heidrun fliegt Dienstag früh ab Nürnberg, sie meldet später noch, dass Flughafen Frankfurt für Dienstag Streik angekündigt hat und Nürnberg auch mitmachen will, nur man weiss noch nicht wann. Sag mal – geht’s schön langsam noch? Neulich hat erst die Bahn alles lahmgelegt im Land, es kann doch nicht sein, dass ständig und ständig irgendwas nicht geht – wegen Streik? Es reichen doch schon die Ausfälle wegen wirklichem Schnee-Drama in Bayern und Österreich? Ich glaube, ich werde richtig alt, ich kann das alles nämlich nicht mehr verstehen und habe auch kein Verständnis mehr. Naja.
Als mich diese Nachricht erreicht, hatte ich mich von meiner Freundin, die nach Gran Canaria abreist und ihrem Partner verabschiedet und bin schon tapfer eineinhalb Stunden hinauf auf die Steilküste gestapft, habe dort herrliche Aussichten gehabt, war aber ganz allein. Ich setze mich in eine windgeschützte Ecke und lese ein paar Seiten in meinem Buch. Und doch habe ich eine Unruhe, ich bin hier wirklich ganz allein, es kreisen zwar keine Geier über mir, aber was, wenn ich mich vertrete, einen Herzinfarkt bekomme oder sonst was? Ob jeden Tag mal jemand hier vorbei kommt? Macht mir nicht den Anschein. Also bewege ich mich langsam wieder zurück in Richtung Zivilisation. Im Dörfli angekommen kehre ich auf ein Bier und einen gebackenen Ziegenkäse ----- leccckkkkerrrr!!!! - ein – und unterhalte mich mit den Leuten vom anderen Tisch.
83- Das ist ja mal ein Kreisverkehr.JPG
84- Westküstenspaziergang.JPG
85- Von Ahuy aus nach Süden.JPG
86- Blick bis fast zu den Janda Bergen.JPG
87- Die Ortsbucht bei Ahuy.JPG
Danach gehe ich zum Wohnmobil, hole mir meine Picknickdecke und zwei kleine Kissen und lege mich an den Strand zum Lesen. 3 Stunden Strand-Liegen – das reicht aber dann. Der Atlantik hat heute wieder schöne große Wellen, es wird viel auf die Wellen gesprungen und gebadet, der Strand ist eigentlich herrlich, lauter ganz kleine Steinchen, also kein Paniermehl, und das in glitzerndem Schwarz. Schön. Mir gefällt so eine Art Strand, weil es nicht so dreckig ist und macht. Danach gehe ich zum Kästchen und setze mich noch eineinhalb Stunden davor, lesend, Weisswein trinkend, mit Blick zum Meer – der Sonnenuntergang verspricht wiederum keinesfalls spektakulär zu werden, es ist viel zu bewölkt und kalt ist es auch geworden. Naja. Der Abend findet ein ruhiges Ende, ich bin ganz allein hier im Kästchen in dem Ort...... höre das Wellenrauschen, das sich wie das Atmen der Erde anfühlt. Ich liebe es.