Zwischenspiel am Wattenmeer.
Es erscheint wie das letzte Aufbäumen vor der nächsten Heizperiode und verführt fast dazu mit freiem Oberkörper zu erscheinen, doch der dazugehörige stetige Süd-Süd-West-Wind bläst uns jedwede aufkommende zu-warm-Empfindungen von der Haut. Es ist einfach nur noch ein wunderbares Hinein, in einen umwerfend schönen Sommer-Herbst-Winter-Übergang.
Oskars fleißige Kölbchen hatten uns nach Friedrichskoog Spitze gebracht. Die Mutter-Kind-Klinik dort beherbergte temporär zwei Familienmitglieder von uns und so hatten wir uns, schon auch geplant, doch in tiefer Wahrheit durch Entzugserscheinungen gesteuert, auf den Weg gemacht, um die Beiden zu besuchen. Geplant waren Samstag, Sonntag vom dortigen Stellplatz aus unseren Enkel zu bespaßen und die Tochter zu entlasten, die von Husten, Schnupfen und Halsschmerzen geplagt, am Rande einer Übermüdungskrise entlang schrammte.
Zu guter Letzt blieben wir eine ganze Woche und bereuen keine Sekunde davon. Unser Kleinster, hach ja, also der, der es schafft, dass die Ältesten schon nach 3 Tagen unter dessen Entzug zu leiden beginnen, war wieder einmal Rechtfertigung genug für alles. Denn unser kleiner Kerl ist ja sowas von zuckersüß und butterzart. Doch darf ich´s so auch schreiben?
Aber ja! Die ganze Welt soll es wissen. Wir zwei Alten, wir Rentner vor dem Herren, wir sind hingerissen, verliebt und vereinnahmt von einem Zweieinhalbjährigen. Er hat uns im Griff. Ob als Boss: Du geben, Du machen, Du nicht, Opa, Oma soll, komm spielen oder Du pusten Aua am Finger oder auch während wir ihm die große Welt erklären oder ihm zuhören was er aus seiner kleinen zu berichten hat, er ist und bleibt zumeist, höchst zuckersüß und butterzart. Und in der Zwischenzeit, in dieser klitzekleinen Zwischenzeit, also in der, in der er sich so verhält, dass man denkt: an die Wand nageln wäre jetzt genau das richtige, da neigen wir zum abgeben, um damit die Nervenstränge unserer Tochter auf Stabilität zu testen und sind dann immer wieder erstaunt, was die alles aushalten.
Bevor wir in Friedrichskoog Spitze anlandeten stoppten wir für eine Nacht in Wedel, auf dem uns schon bekannten Stellplatz. Mit dem Fahrrad machten wir uns keine viertel Stunde später schon auf den Weg zur Räucherei, um deren hervorragende Lachslocken zu erwerben. Bewaffnet mit diesen und Brötchen, die wir noch hatten, platzierten wir uns an der Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft, um beides mit Genuss zu verspeisen und einen der schönsten Sonnenuntergänge der Woche zu genießen. Das Bier obendrauf will ich mal jetzt nur beiläufig erwähnen. Denn auch Radfahrer riskieren ihren Führerschein bei Alkoholmissbrauch. Doch sicherheitshalber hatte ich meinen nicht dabei. Simsalabim!
Summa sumarum war Wedel einfach den Stopp wert und es wird auch nicht der letzte gewesen sein. Wie wir inzwischen allerdings informiert wurden, soll Glückstadt auch nicht verkehrt sein und so hieß es schon öfter: Sollen wir beim nächsten mal nicht eher in....
Am Sonntag Abend entschieden wir: „Wir bleiben noch den Montag.“ Am Dienstag: „Wir bleiben noch bis Mittwoch und so war dann auch ruckzuck erst am folgenden Samstag die Woche rum. Irgendwelche langweiligen Momente erlebten wir bis dahin jedenfalls keine. Unsere täglichen Ausflüge mit Mutter und Kind waren schön und abwechslungsreich. Auch fuhren wir ein paar Touren mit dem Fahrrad, immer schön in Windrichtung am Damm entlang. Und abends in Schraubers Pinte lernten wir zudem einige sehr nette Menschen kennen. Wobei das Pintchen Kümmel zu ein Euro fünfzig der absolute Renner war, doch leider alle unsere Begleittrinker den Nachteil hatten, Raucher zu sein und stets bemüht waren, dem Schrauber die Renovierungskosten zu minimieren, indem sie mit stetiger Inbrunst versuchten, seine Wände per Zigarettenqualm mit Teer vorzugrundieren. Dabei tränkten sie natürlich auch unsere Klamotten mit diesem üblen Gestank und am nächsten Morgen miefte dann auch unser Oskar innen wie ein alter Kippenkübel.
Überhaupt am Donnerstag, als ein Live-Entertainer mit Klampfe wunderbare aber überlaute Gesänge aus den Siebzigern anstimmte und ab 22 Uhr die Fenster und Türen geschlossen gehalten sein sollten, damit die Klinikbewohner quer gegenüber, die dort ja um 22 Uhr Einschluss haben, nicht mit dabei-sein-wollen-Sehnsüchten gequält werden. Da ging dann am nächsten Morgen nichts mehr. Die Klamotten mussten in den Sack. Es war nicht anders auszuhalten.
Überhaupt mit Enkelkindern können wir noch sehr die Seehundstation in Friedrichskoog empfehlen. Ist ein putziges Schauspiel, was dort geboten wird und für kleine Kinder sehr abwechslungsreich gemacht. Sogar ein schwarzes Loch gibt es dort und es frisst wirklich jede Münze, die man opfern kann. Für die vorgerückten Semester gibts noch im Ort zwei gute Fischrestaurationen. Alles in allem kann man in Friedrichskoog einen guten Tag abwechslungsreich verbringen.
Ein weiteres Ziel für uns war Büsum. Dort riskierten wir die Teilnahme an einer Krabbenkutterfangfahrt auf der Nordsee. Und was soll ich sagen, der ins Netz gegangene kleine mit Hornplatten geschützte Steinpieker beeindruckte uns am meisten. Stammt der doch noch aus den Zeiten der Saurier und überlebte zudem sogar die vielen Aaaahs und Oooohs der Eltern und die Streicheleinheiten ihrer Kinder.
Die zum Schluss gereichten frischen, gekochten Krabben zum puhlen, waren dann aber eher Alibi für den gestressten Geldbeutel, denn ein großer Gaumenschmaus. Mehr wie zehn Stück von ihrem Panzer zu befreien, schaffte wohl keiner der Gäste in der verbliebenen Zeit an Bord. Dennoch, die Crew war sehr kinderfreundlich und informativ waren ihre Erklärungen für die Kleinen wie Großen allemal.
Die Fußgängerzonen der Stadt Büsum bedürfen eigentlich keines großen extra Lobes. Viele Fischrestaurants, Boutiquen und Kneipen. Hübsch aufgemacht bei moderaten Preisen. Ach ja, und eine Baustelle mit allerhöchstinteressantem Bagger gibts auch. Halt so wie es vielerorts üblich ist, will man vom Tourismus leben.
Den Ort Tönnig, der nördlich von Büsum liegt und sein Multimar Wattforum, wollten wir anderntags besuchen. Auf zwei Etagen schlappt man dort durch und zwischen den Exponaten herum und ist von mal zu mal erstaunter, was es alles gibt. Für die etwas größeren Kinder und Jugendlichen eine Empfehlung. Für zwei bis fünfjährige wohl mehr der pure Informationsstress. Die Flut der sehr ausführlichen Präsentationen war dann auch für unseren Liebling mit seinen zweieinhalb Jahren einfach zu viel. Er drehte irgendwann durch und musste auf einem schönen, großen, dazugehörigen Kinderspielplatz per Edelstahlsandbagger ruhig gestellt werden. Ansonsten wären ihm wohl über kurz oder lang die Sicherungen durchgeknallt. Und wer das mal bei einem Kleinkind erlebt hat, der weiß was ich meine und braucht es kein weiteres mal. Uuääääääääääh.....Uuäääääääääh.....Uääääääääh, ich will zu meiner Mammmaaa, zum Krokodrill, was essen oder ins Ufo.
Unsere Rückfahrt über Hamburg nach Bielefeld, spulten wir in einem Rutsch ab, was Samstags ein unkompliziertes Vergnügen ist. Wobei, einen kleinen Stopp hatten wir noch. Nämlich in Marne. Meine Lieblingsfrau wollte noch etwas beim Lidl besorgen und wie wir dann so da auf dem Parkplatz standen, lag es einfach nahe, mal kurz und hurtig über den Marktplatz zu schlendern. Dort wurde nämlich das weltweit bekannte Kohlfest zelebriert. Und ja, es kam wie es kommen musste, kaum 10 Minuten nach zuschlagen der Seitentür hielt ich eine wirklich sehr delikate Grünkohlwurst in der Hand. Ein echter Gaumenschmaus wenn man auf derlei abfährt. Was bei uns der Fall ist.
Bei anschließendem Krautwickel mit Salzkartoffel und mir bis dato unbekannter Krautlasagne, lernten wir dann im Esszelt drei Hamburger Deern kennen und die, die ganze Palette menschlicher Gemüter vereinten. Von still schweigsam bis quirlig explosiv, waren unsere Portionsgrößen leider nicht ausreichend genug, um der eruptiven Art, der mir gegenüber platzierten Dame lange genug frönen zu können. In der Tat sie gefiel mir und da wir für unseren nächsten Hamburg Aufenthalt eingeladen wurden, sie zu besuchen, tauschten wir sogar noch schnell, neben der Enkelkinderphotosession, unsere Telefonnummern. Auch dies, alles in allem, ein prächtiger Zwischenstopp, wenngleich ein zu kurzer.
Als Oskars Räder danach recht schnell in gleichförmigem Summen über die Straßen und Autobahnen rollten, ja, da gab es viel nachzudenken, zu überdenken. Kurz: Zu sinnieren. Über das hier und jetzt, über unser großes und kleines Glück. Ja, was haben wir nicht alles erreicht? Wie gut geht es uns doch? Noch weitgehend gesund, nicht mittellos und mit manchmal zwar wundersamer aber sehr liebenswerter großer Familie beschert, so können wir unsere Tage genießen.
Göttchen gebs, dass wir nie in die Lage kommen werden, unüberlegt in die Jammerharfe zu greifen. Das Leben, die Natur, die Wunder des Alltäglichen um uns herum, hätten es nicht verdient.
* * *