Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

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Ulrike M.
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Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

Beitrag von Ulrike M. »

Hallo,

Nachdem wir im Osterurlaub ein doch recht in Erinnerung haftendes Erlebnis hatten, möchte ich euch das nicht vorenthalten. Die Worte stammen von meinem Bruder Roland (mit dem ich immer unterwegs bin und der auch der Akteur war), die Bilder sind von mir.

Aber lest selbst Rolands Worte:

Ich bin mir ziemlich sicher daß alle, die gerade ein neues Wohnmobil bekommen haben, sich irgend wann auch mit dem Bordwerkzeug auseinander gesetzt haben. Was ist überhaupt vorhanden, was verbiegt sich schon vom ersten Anschauen, was fehlt von allem Anfang an?
Als wir unser Womo vor mittlerweile 12 Jahren bekommen haben, habe ich das auch gemacht. Da beim Iveco Daily das Reserverad unter dem Rahmen hängt, hab ich mich auch ganz gemütlich auf einem Rest eines Spannteppichs unters Womo gelegt und mir die Situation "vor Ort" angesehen. Ergebnis der Besichtigung: Werkzeug komplett vorhanden, Ablauf in der Theorie klar, aufs Reifenwechseln kann ich aber dennoch gerne verzichten (Zwillingsreifen!).

So sind dann etliche Jahre ins Land gezogen, man achtet auf die Reifen - ein Reifenplatzer mit dem alten Womo genügt schließlich! Mittlerweile ist die dritte Garnitur Reifen drauf (also so ca. alle 4 Jahre), jetzt im Frühjahr Restprofil knapp über 4 mm, also für den nächsten Winter (Ganzjahresreifen) nicht mehr geeignet, aber kein Grund sichtbar, warum man nicht im Sommer noch damit fahren sollte.

Nur hatte jetzt zu Ostern in Italien ein Reifen eine andere Meinung...

Reifenplatzer hinten links innen!

Also mit Warnblinker in Schrittgeschwindigkeit auf der viel befahrenen und engen Landstraße weiter bis ins nächste Dorf, wo sich gleich vor den letzten Häusern eine passende Stelle findet, an der man auch ohne Lebensgefahr arbeiten kann.
Wie es sich in so einem Fall natürlich auch gehört, wurde die langandauernde Trockenheit genau in diesem Moment mit einem heftigen Gewitter beendet.
Nach dem ersten Nachlassen des Niederschlags dann noch ein paar Meter weiter nach vorne gefahren - unter dem Auto befand sich ein großer See...

Erste Erkenntnis: Mit einem Gabelschlüssel kommt man schwer zu einer Mutter, die in einem U-Profil liegt.
Zweite Erkenntnis: Es wird noch schwerer, wenn der aufgebrachte Unterbodenschutz auch diese Mutter vor Rost schützt...

Wie das Leben so spielt stehen wir aber hier genau vor dem Haus des mittlerweile pensionierten Dorfmechanikers, der uns nach einer kleinen Odysse von Uli - wovon sie sicher besser berichten kann - mit Rat und Werkzeug zur Seite steht!
Also mit geliehenem 22er-Ringschlüssel die Reserveradhalterung gelöst und Halterung herunter geklappt.

Bleibt nur noch die einzige Schraube zu lösen, die das Reserverad auf der Halterung festhält.
Tja, leider haben sich offensichtlich auch bei sorgfältigster Verarbeitung ein paar Spritzer vom Unterbodenschutz auf das Gewinde verirrt!
Von Vierteldrehung zu Vierteldrehung geht die Mutter immer schwergängiger!
Ein Wasserleitungsrohr wird mir vom Meccanico unters Womo gereicht. Und Sprühöl. Und der gute Ratschlag - auf italienisch natürlich, aber italienisch spricht man doch auch mit Händen und Füßen! - ich solle die Mutter wieder zudrehen und mit dem Sprühöl gängig machen. Ja, das funktioniert natürlich bei einer verrosteten Schraube ganz gut, aber nicht bei Kaugummi... äh, Unterbodenschutz!
Irgendwann bin ich ziemlich am Ende meiner Kräfte, will schon aufgeben und einen Pannendienst rufen.
Aber die Mutter ist zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich am Ende des Bolzens und eigentlich kann es nur mehr besser werden.
Also "in die Riemen legen", die Radhalterung irgendwie unter der Schulter fixieren und mit beiden Händen mit aller Kraft am wasserleitungsrohrverlängertem Hebel ziehen bis diese ...-Mutter eine sechstel Drehung hinter sich hat und ich den Radschlüssel nachsetzen kann, um wieder mit aller Kraft...

Nach scheinbar endloser Zeit - in Wirklichkeit knapp zwei Stunden - geben auch die letzten Windungen der Schraube nach und der Reservereifen liegt frei.
Der Rest ist nahezu Routine, die Radmuttern lassen sich leicht lösen (hab das gleich am Anfang der Aktion getestet).
Das innere Rad ist zwar noch festgefressen und läßt sich auch mit Fußtritten nicht lösen, aber der zur Verfügung gestellte Hammer (letzte Hürde: 5 kg Hammer an 1 m Stiel unterm Womo liegend zielgerichtet führen...) sorgt für die nötige Wirkung.

Das Rad ist endlich gewechselt, ich bin am Ende meiner Kräfte.

Gott sei Dank spielte das Thema Wagenheber keine Rolle! Die hydraulischen Hubstützen sind auf halbwegs ebenen Gelände ein vollwertiger Ersatz für den Wagenheber - und per Tastendruck zu betätigen...

Tja, der andauernde Regen während dieser Aktion bedingt auch noch das allerletzte Kapitel: tropfnaß vor der Womo-Tür stehend ersuche ich Uli, mir eine komplette Garnitur frischer Wäsche - wirklich bis Socken und Unterhose alles! - in die Dusche zu legen, samt einem großen, universell verwendbarem Müllsack für die nasse Wäsche. Eine gepflegte Dusche - ich liebe das Womo! - und für den Energiehaushalt ein paar Pocket Coffee eingeworfen und die Reise kann weiter gehen!

Die blauen Flecke und der Muskelkater sind nicht dokumentarisch festgehalten.
Und ein Satz neuer Reifen ist bereits bestellt.

Und die Moral von der Geschichte?
Bitte überlegt euch nicht nur theoretisch einen Reifenwechsel, sondern führt ihn auch in der Praxis einmal durch - an passender Stelle, bei passendem Wetter, zur passenden Zeit, unter optimalen Bedingungen. Völlig egal, aber macht es einmal!

Roland


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Re: Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

Beitrag von Lira »

Das ist ja wirklich ein eindrückliches (buchstäblich!!) Erlebnis. Heieiei.
Und - warum habt ihr so oft Reifenplatzer ?? Ich wage es nicht zu beschreien - aber "sowas" fehlt mir - trotz vieler Hunderttausend Kilometer Fahrpraxis - in meiner Sammlung und hoffe auch, dass es mich nicht ereilt. Wäre eines meiner absoluten Horrorszenarien, noch dazu, wo ich meistens ganz allein unterwegs bin ...
Auch habe ich noch nie selber Reifen gewechselt, es war halt noch nie notwendig.
Schön beschrieben hat das Dein Roland aber!!
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Re: Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

Beitrag von Gitte »

Boah Uli,

solche Horrorgeschichten sind nicht schön, gut das ihr gerade vor dem richtigen Haus wart und der nette Mensch euch helfen konnte.
janoschpaul
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Re: Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

Beitrag von janoschpaul »

Hallo Uli und natürlich Roland,
Wir (mein Mann würde jetzt die Augen leicht nach oben verdrehen) wechseln jedes Jahr die Reifen selbst, daher genug Übung. Auch hatten wir am Womo noch nie (Gott sei Dank) einen Reifenplatzer.
Wie genial solch Hubstützen sein können.
Trotz Regenschauer und 2 Stunden Arbeit ist es ja noch mal gut ausgegangen, sprich kein größerer Schaden.
Klasse gelöst und gut geschreiben.
Jetzt habt Ihr statistisch gesehen Euer Womoleben lang Ruhe. Habt Ihr verdient.
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Re: Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

Beitrag von Aramis »

Hallo Uli,

das war ja ein Abenteuer. Wir hatten mit unserem alten Wohnmobil 2 x einen Reifenplatzer. Einmal auf der Landstr. in Süditalien - der Reifen hat sich abgelöst und den Unterboden des Wohnmobils durchschlagen und auch die Benzinleitung beschädigt. Wir waren auf der Landstr. in ein Loch gefahren.
Das 2.Mal passierte es beim Überholen auf der autobahn, kamennoch auf die rechte Spur der Einfahrt und konnten wechseln.
Wir kennen diverse Wohnmobilfahrer die sagen das sie dann einfach den ADAC rufen, wozu sind sie denn Mitglied.
Die meisten Wohnmobile haben ja heute noch nicht einmal Reserveräder dabei. Was dann passiert wenn man in einer Baustelle liegen bleibt mag ich garnicht ausdenken.
Schön das dein Bruder auch handwerklich so geschickt ist. Hoffentlich bleiben Euch weitere Reifenwechselunterwegs demnächst erspart.

Liebe Grüsse Gabi
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Ulrike M.
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Re: Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

Beitrag von Ulrike M. »

Hallo,

Nun, warum schon zwei Reifenplatzer?

Beim ersten Mal vor vielen Jahren lag die Schuld eindeutig bei uns. Der Reifen war zu alt.

Diesmal sind wir uns keiner Schuld bewusst. Der Reifen war erst vier Jahre alt und hatte noch ein gutes Profil. Der Druck war erst ein paar Tage zuvor kontrolliert worden. Druckverluste gab es nicht.
Die Straße, auf der wir an diesem Tag gefahren waren, war teilweise grottenschlecht. Noch beim Mittagessen hatten wir uns darüber unterhalten.

Sicher hätten wir den Pannendienst holen können. Wir haben das Roland ein paarmal vorgeschlagen. Aber er meinte (wohl etwas stur), man müsse das als Fahrer selbst können.

Und auch wenn wir im Herbst und im Frühjahr selbst die Reifen wechseln würden und so Übung hätten, der Reservereifen muss eben auch problemlos aus der Halterung geholt werden können. Das war in diesem Fall das allergrößte Problem. Der Reservereifen ist ein vollwertiger Reifen, dessen Druck ebenso regelmäßig kontrolliert wird.

Tja, auch wir hoffen jetzt auf die Statistik. ;)

Beste Grüße,
Uli
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Re: Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

Beitrag von KlausundMelitta »

Hallo in die Runde,

ganz ehrlich: also ich hätte auch den Pannendienst holen müssen.

Das bringt mich aber auf eine völlig andere Idee: in Baumärkten gibt es Kurse für Frauen, die mit dem Heimwerkermaschinen umzugehen lernen wollen - das wäre doch mal eine Idee für einen "Workshop"! Muss ich mal näher "unter die Lupe nehmen".
Es kann ja nicht schaden, wenn man als Frau und WoMo-Fahrerin solch "Extremfall" schon mal unter fachkundiger Anelitung in einer Werkstatthalle selber bewältigt hat.

LG Melitta
SuperDuty

Re: Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

Beitrag von SuperDuty »

Ulrike M. hat geschrieben:. . . Wie es sich in so einem Fall natürlich auch gehört, wurde die langandauernde Trockenheit genau in diesem Moment mit einem heftigen Gewitter beendet.
Nach dem ersten Nachlassen des Niederschlags dann noch ein paar Meter weiter nach vorne gefahren - unter dem Auto befand sich ein großer See...

Erste Erkenntnis: Mit einem Gabelschlüssel kommt man schwer zu einer Mutter, die in einem U-Profil liegt.
Zweite Erkenntnis: Es wird noch schwerer, wenn der aufgebrachte Unterbodenschutz auch diese Mutter vor Rost schützt. . .

Bitte überlegt euch nicht nur theoretisch einen Reifenwechsel, sondern führt ihn auch in der Praxis einmal durch - an passender Stelle, bei passendem Wetter, zur passenden Zeit, unter optimalen Bedingungen. Völlig egal, aber macht es einmal!
Ja, ich habe vor langer Zeit in der schönen, trockenen und warmen Garage einen Reifenwechsel am Iveco durchgeführt und festgestellt, dass ich das Reserverad am Straßenrand und bei Schittwetter ganz bestimmt nicht aus der Rahmenhalterung herausholen kann und das auch dem ADAC-Mann nicht zumuten möchte.

Logische Konsequenz: Das Reserverad wurde samt Halterung demontiert und blieb zu Hause. Da wir Hubstützen haben, wurde der Wagenheber auch gleich mit entfernt. Das bringt so ganz nebenbei 50 kg mehr Zuladung. Wir haben 6 Räder und mit 5, nein sogar mit 4 kommt man in Schleichfahrt immer zur nächsten Autowerkstatt, und dort haben wir alle Zeit der Welt, denn wir haben ja unser Bett dabei.
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Re: Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

Beitrag von Urban »

Habe vor 3 Jahren ca das letzte mal das Reserverad aus dem Unterbauschlitten rausgeholt, dafür brauche ich keine 10 Minuten eher nur 5 Minuten (sind gut gefettet), auch das Hochkurbeln mittels Wagenheber geht recht leicht und doch schnell, aber das Heben und passgenaue aufsetzen auf die Stehbolzen ist schon recht Rückenmordend, habe mir aber ein Hilfsmittel ausgedacht.....ich lege einen Ausgleichskeil unter die Radnabe und rolle das Rad bis zum richtigen passgenauen Punkt und lasse das Rad dann durch hin und herbewegen auf die Stehbolzen rutschen. Der Camping Gummihammer (schwere Ausführung) leistet bei der anpassung und beim Weghauen des Keils gute Dienste
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Ulrike M.
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Re: Der Reservereifen, das Bordwerkzeug und ich

Beitrag von Ulrike M. »

Hallo,

Ja, jedem das Seine...

Ich möchte nicht ohne Reservereifen unterwegs sein, wir haben bei 5,2 t genügend Zuladungsreserve (gewogen). Außerdem könnte es ja auch einen Vorderreifen treffen.

Alle Zeit dieser Welt hätte ich auch nicht gehabt. Ohne Reservereifen hätte ich wahrscheinlich die Heimfahrt mit Autobus und Bahn - eventuell mit Übernachtung irgendwo - antreten müssen, weil ich ja berufstätig bin und wieder rechtzeitig in der Heimat sein musste. Und das hätte auch einiges gekostet...

Beste Grüße und allzeit gute Fahrt!

Uli
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