Finnmark (Achtung: viel Text)
Verfasst: Fr 6. Dez 2013, 20:47
Hallo,
Seit langem hege ich den Gedanken, auf meiner Homepage einen eigenen Beitrag Nordnorwegen zu widmen. Nun gab es hier nach dem Reisebericht von Pelle1 ein gewisses Interesse. Ich dachte mir also, dass ich hier in kleineren Portionen diesen Landstrich vorstellen werde, Touren beschreibe usw. Den gesamten Beitrag werde ich dann vielleicht einmal doch auf meine HP stellen, eine Zusammenfassung habe ich in einem anderen Forum ebenfalls veröffentlicht - der Anständigkeit halber sei dies gesagt.
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Nordnorwegen - Annäherungen an die Finnmark
Allgemeines
Lasst mich einmal ein paar allgemeine Worte über den Flecken Erde, der mich landschaftlich sehr in seinen Bann geschlagen hat, erzählen.
Die Finnmark ist der nördlichste Verwaltungsbezirk (Fylke) Norwegens. Sie beginnt im Westen kurz vor dem Langfjord, einem Seitenarm des Altafjords und setzt sich entlang der Küste bis an die russische Grenze fort. Im Süden erstreckt sich die Finnmark bis an die finnische und schwedische Grenze. Da aber meines Erachtens der westlich angrenzende Teil des Beziks Troms bis hin zum Lyngenfjord große Ähnlichkeit mit der Finnmark hat, nehme ich ihn in meine Betrachtungen hinzu.
Ich werde euch ein wenig über Land und Leute erzählen und mit euch die wichtigsten Routen abklappern. Ich werde euch erzählen, wo es uns besonders gut gefallen hat und wo man vielleicht sich etwas länger aufhalten könnte.
Diese Beschreibung kann und soll keinen Reiseführer ersetzen. Wenn es mir aber gelingt, auch nur einen für meine Lieblingsregion zu begeistern, so habe ich mein Ziel weit mehr als erreicht.
Landschaft
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0846.JPG
„Auf einer Schiffsreise in den Norden ist mir aufgefallen, dass es oberhalb
von Tromsø auf hunderte von Kilometern nur bemooste Felsen gibt. Da
kann ich nur jedem abraten, sich wegen des Stempels vom Nordkap
diesen Stress aufzuerlegen.“
Solche Worte habe ich in einem Forum gelesen und sie haben mich zum Widerspruch gereizt. Grundsätzlich glaube ich dem Schreiber, dass er das Land vom Meer her so gesehen hat. Aber ist das ganze Land so? Nein, es gibt eine große Vielfalt, von kleinen Ackerflächen über Wald und Wiesenflächen bis hin zu den „bemoosten Felsen“, die stark an die hochalpinen Regionen erinnern.
Das Land lag in der letzten Eiszeit unter einem dicken und schweren Eispanzer. Als dieser in der folgenden Warmzeit, die ja noch immer andauert, schmolz, begann sich das Land, das jetzt von der schweren Last befreit war, zu heben. Dieser Hebeprozess dauert noch immer an und ist in manchen Regionen gut zu erkennen, wo Felsenriffe, die zuvor im Wasser lagen, nun einige Meter über dem Meer zu finden sind.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0508.JPG
Teilweise sieht man auch vom Gletscher blankpolierte Felsen.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_7625.jpg
Und da die Vegetation hier nicht so schnell Fuß greifen kann, gibt es auch Felsen, die quasi die geologische Geschichte erzählen, abgeschieferte Geröllfelder und vieles mehr. Aber überall versuchen sich da ein Büschel Glockenblumen oder dort ein paar Grashalme festzukrallen und dem Wind zu trotzen, der meist vom Meer her weht.
Weiter im Landesinneren wird das Klima kontinentaler, die Sommer sind wärmer, die Winter dafür kälter. Hier findet man Krüppelbirken und allerlei Buschwerk, dann auch Kiefern und Fichten. Moorige Flächen, vor allem im Süden, sind Standorte von allerlei Beerensorten, allem voran der Multebeere, die im unreifen Zustand rot und im reifen Zustand gelb ist und dann gepflückt wird.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0845.JPG
Tiefe Fjorde zergliedern die Küste. Dazwischen liegen kleine Halbinselchen mit einigen wenigen hundert Metern Höhe. Meist führen die Straßen entlang dieser Fjorde, winden sich dann auf der einen Seite auf diese Halbinselchen hinauf und auf der anderen Seite zum nächsten Fjord hinunter.
Vor und in diesen Fjorden liegen Inseln – große Inseln, die bewohnt sind und mit der Fähre erreicht werden können, kleine Inseln, auf denen manchmal auch noch eine Hütte zu finden ist und solche, die völlig unbewohnt sind.
Wetter
„Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.“
Meine Erfahrung bezieht sich auf die Monate Juli und August und ist äußerst vielfältig. Da gab es Jahre, in denen es äußerst warm war. Da ging man in kurzer Hose, T-Shirt und Sandalen herum und hatte nachts Probleme, weil es nicht abkühlt, wenn die Sonne nicht untergeht. Da hatte es in Berlevåg tagsüber 27 °C, im Landesinneren war es noch wärmer und das über Wochen hinweg!
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0601.JPG
Kühlendes Eismeer
Dann gab es Zeiten, in denen es 12 °C hatte, immer wieder regnete und bedeckt war, der Wind blies an der Küste, im Landesinneren war es etwas angenehmer. Auch Schlechtwetter am Meer ist für uns faszinierend, wenn die Wellen peitschen und der hohe Seegang auch große Schiffe beutelt.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_3246.JPG
Nachlassender Sturm am Eismeer
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_3239.JPG
Auch Schlechtwetter hat ein Ende
Vielfältige Kleidung ist angesagt, man weiß im Voraus nie, was man brauchen wird.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_4597.JPG
Besser einen Anorak mitnehmen
Sonnenstand
„Ich fahre im Juni zur Sonnenwende ans Nordkap. Ich will ja schließlich die Mitternachtssonne sehen.“
Am Nordkap erreicht die Mitternachtssonne ihren tiefsten Stand durchschnittlich um 23:17 Uhr MEZ bzw. 00:17 Uhr MESZ und ist hier vom 11. Mai bis zum 31. Juli zu beobachten.
In Hammerfest sieht man sie vom 16. Mai bis zum 27. Juli und in Berlevåg vom 16. Mai bis zum 29. Juli. In dieser Zeit geht die Sonne nie unter, sie zieht mehr oder weniger hohe Kreise am Himmel und die Abenddämmerung geht nahtlos in die Morgendämmerung über.
Wer also die Mitternachtssonne sehen will, muss keinesfalls ans Nordkap fahren. Zudem sieht man wegen des dort sehr oft liegenden Nebels die Mitternachtssonne nicht so oft wie in anderen Regionen.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_8116.jpg
Mitternachtssonne in Berlevåg
Große und kleine Tiere
Wer will keinen Elch sehen, wenn er in den Norden fährt? Wir hatten schon viele Skandinavien-Urlaube hinter uns und noch nie einen Elch gesehen. Eines Tages, wir waren auf der Rückfahrt von Berlevåg auf der Varanger-Halbinsel unterwegs, stand „er“ da, mitten auf der Straße, ließ sich geduldig fotografieren, eher wieder in den Wald zurückkehrte, wo ein zweiter Elch stand!
Inzwischen haben wir mehrmals Elche gesehen, auch in der Finnmark und sind sicher, dass wir noch öfter, viel öfter welche sehen hätten können, wenn wir genauer geschaut hätten und diese riesigen Tiere nicht so perfekt getarnt wären!
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0684.JPG
Nicht zu übersehen sind allerdings die Rentiere. Sie lieben es neben der Straße zu äsen, oft machen sie einen Satz auf die Straße und man kann eigentlich nie genug aufpassen, um eine Kollision zu vermeiden. Rentiere haben immer einen Besitzer und bei einem Zusammenstoß ist die Polizei heranzuziehen. Besonders spannend ist es auch, wenn Rentiere in Tunnels Schutz vor Sonne suchen und die Autos höchst widerwillig vorbeilassen.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0836.JPG
Gewöhnliche Rotfüchse verbreiten sich in Skandinavien immer mehr und verdrängen im Norden den dort heimischen Polarfuchs. Füchse konnten wir schon mehrmals beobachten, auf dem Campingplatz oder neben der Straße. Besonders hatten es uns diese beiden angetan, die uns auf der Strecke zwischen Lakselv und Karasjok die Weiterfahrt kurzfristig unmöglich machten.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_4479.JPG
Der Vielfraß ist ein in Nordnorwegen heimisches Tier, ebenso der Wolf. Einer der beiden lief einmal etwa 20 m vor unserem WoMo vorbei und wir waren so erstaunt, dass wir kein Foto machten. Was es nun wirklich war, darüber können wir leider keine Auskunft geben.
Nicht zu Übersehen und Überhören sind im Sommer die unzähligen Vogelarten, allen voran die Möwen, aber auch die Seeschwalben mit ihrem langen roten Schnabel und dem eigenartigen Piepen. Achtung bei Wanderungen! Die Vögel nisten oftmals einfach im Gras und können aggressiv werden, wenn man dem Nest zu nahe kommt. So attackierte eine Möwe einmal den Kopf unseres Vaters (er hatte sich nur ein paar Meter vom WoMo entfernt), der eiligst die Flucht ins WoMo antrat.
Nicht zu Übersehen und Überhören sind wohl auch jene Tiere, die mit wissenschaftlichem Namen Culicidae heißen. Besser sind sie wohl unter dem Namen Stechmücken (D: Mücken, Ö: Gelsen) bekannt. Angeblich kommen und gehen diese Blutsauger mit den Touristen! Ist das Frühjahr eher trocken, so gibt es weniger von diesen Mini-Vampiren, dann gibt es wieder Jahre, wo sie fast unerträglich sein können, vor allem im Inland. An der Küste bleibt man in der Regel relativ gut verschont. Um uns zu schützen, verwenden wir ein potentes Mittel. Die im Norden sogar in jedem Supermarkt erhältlichen Mittel sind sehr gut wirksam, weil sie den Wirkstoff DEET enthalten. Dieser wird allerdings von Deutschen nicht besonders geschätzt, weil er u.a. Uhrbänder aus Kunststoff angreift.
Die Menschen
Wie sind die Menschen im Norden? Sind sie anders als Mitteleuropäer?
Im Allgemeinen bin ich gegen Pauschalurteile über Gruppen hinweg. Dennoch sind mir gewisse Dinge aufgefallen, die anders sind als in Mitteleuropa.
Da ist einmal der Faktor "Zeit". Wie oft haben wir keine Zeit, sind ungeduldig, weil es an der Kassa im Lebensmittelladen so langsam hergeht. Anders im Norden!
Das erste derartige Erlebnis hatte ich vor etwa 10 Jahren an der finnisch-norwegischen Grenze bei Utsjoki. Ich zitiere aus meinem Reisebericht, der auch auf unserer Homepage zu finden ist:
"An der Grenze in Utsjoki möchte ich in der dortigen Bank meine restlichen Finnmark in Norwegenkronen wechseln, da an diesen Stellen ja zumeist auch Münzen gewechselt werden. Die Bank erweist sich als „Ein-Frau-Betrieb“, zum „Inventar“ zählen noch sechs weitere Kundschaften – allesamt Männer – vor mir, die die Wartezeit offensichtlich als nettes Plauderstündchen empfinden. Als dann noch das Telefon läutet und die Bankbeamtin sich des Langen und Breiten mit der Kundschaft am Telefon unterhält, suche ich das Weite. Wahrscheinlich hat man hier oben noch viel, viel Zeit..."
Man spricht mit jemandem und das ist im Moment das Wichtigste. Erst wenn alles geklärt ist, kommt der nächste dran.
Ich denke an den Elektriker, der in Berlevåg unseren Kühlschrank vorerst wieder zum Laufen brachte: ein älterer Herr, bedächtig, ein Lächeln, Zeit für ein wenig Smalltalk nach getaner Arbeit...
Und damit bin ich auch schon bei einem zweiten Punkt, der im Norden anders ist: Man ist auch Fremden gegenüber sehr hilfsbereit, schließlich ist das ja in der Einsamkeit notwendig. Da hatten wir 2006 eine Panne mit dem Wohnmobil, die Servolenkung verlor langsam Öl und in Øksfjord, einem winzigen Ort abseits der Hauptrouten, wurde es notwendig, an einem Sonntag dieses Öl zu beschaffen, was in Mitteleuropa wahrscheinlich kaum möglich wäre – hier geht es: Die Besitzerin des Ladens, in dem man das Öl bekommt, sperrt extra auf und verkauft zwei Liter Öl…
Oder man wird unterwegs plötzlich aufgehalten. Ein Auto am Straßenrand kann nicht gestartet werden, weil die Batterie leer ist. Hier hilft man, das ist selbstverständlich.
Man fährt durch einsame Regionen – sind sie wirklich so einsam? Nein, oft verbirgt sich hier hinter einer Felsnase, dort hinter einer Baumgruppe eine Hütte. Als Norweger hat man eine Hütte. Man verbringt dort Ferien oder Wochenenden, fischt, geht in die Sauna, entspannt. Parkplätze am Straßenrand, oft auch Briefkästen verraten, dass sich hier irgendwo eine Hütte befinden muss.
Ein eigenes Thema sind die Samen, bei uns auch als Lappen bekannt, was die Menschen jedoch zumindest teilweise als diskriminierend empfinden. Die Samen leben von Mittelschweden bis nach Russland und haben eine eigene Kultur und Sprache. Viele von ihnen leben heute noch von der Rentierzucht. Man sieht sie durchaus auch in ihrer typischen Tracht mit der vierzipfeligen Mütze abseits von Touristenfallen in Supermärkten oder einfach auf der Straße. Sich über das harte Leben der skandinavischen Urbevölkerung zu informieren, halte ich beim Besuch Nordskandinaviens für ein Muss. Wo dies allerdings geschieht, sei dem geneigten Leser überlassen. Das Arktikum in Rovaniemi bietet einen ausgezeichneten Überblick, dazu gibt es noch viele kleinere Museen, z.B. am Varangerbotn, die das Leben dieses Volkes näherbringen. Nicht versäumen sollte man es auch, sich die samische Sprache im Radio anzuhören, ist sie doch so ganz „anders“, da sie der finnisch-ugrischen Sprachgruppe angehört.
Einkaufen, Essen und Trinken
Das ist ein heikles Thema, zumal Ansprüche doch so ganz verschieden sind.
Da gibt es Norwegenfahrer, die von daheim alles mitnehmen. Jeder Tag ist genau geplant, das Gulasch ist im Einsiedeglas im Stauraum, das Dosenbier ebenfalls, nicht zu vergessen die Keks, das Dosenbrot und die Haltbarmilch…
Fest steht, dass die Preise deutlich höher sind als in Mitteleuropa, wobei man nirgendwo den Fehler machen darf, das günstigste Angebot von daheim mit einem x-beliebigen Laden auswärts zu vergleichen. Manche Warengruppen liegen im Preis auf vergleichbarem Niveau, andere lässt man lieber links liegen. Wen das Mineralwasser so teuer ist, kann man doch ohne Probleme auf das exzellente Trinkwasser ausweichen, statt der teuren (und für unseren Geschmack nicht sehr ansprechenden) Wurst gibt es Pasteten und wunderbaren Käse. Milch und Milchprodukte sind überall in großer Auswahl zu haben. Dunkles Brot gibt es nicht, allenfalls graues, das frische Weißbrot ist keine Offenbarung, aber o.k. Wer selbst fischt, lebt wie im Schlaraffenland: Für das Fischen im Meer benötigt man nicht einmal eine Fischkarte, allerdings ist die Ausfuhr von Fisch mengenmäßig begrenzt. Fleisch wird weniger gegessen, es ist auch von der Qualität her – vorsichtig gesagt - nicht ganz so toll. Dafür bekommt man halbwegs ordentliches Geselchtes (Selchfleisch), das die Norweger selbst auch zum Grillen verwenden. Die Auswahl an Obst und Gemüse ist in den letzten Jahren deutlich besser geworden, allerdings sind die Preise in dieser Warengruppe eher sehr hoch.
Und der Alkohol? Nun, im Lebensmittelladen bekommt man maximal Bier mit einem Alkoholgehalt von 4,5 %. Alles andere ist nur im Spezialgeschäft zu bekommen (Vinmonopolet). Die Mitnahme von Alkohol aus EU-Ländern ist in nur geringen Mengen gestattet, angeblich wird auch dann und wann kontrolliert, am meisten offensichtlich, wenn man in das Land mit der Fähre einreist.
Man kauft am besten in den etwas größeren Orten für ein paar Tage ein, um dann auf der sicheren Seite zu liegen.
Wir waren nirgendwo auswärts essen, wir haben auch nichts gesehen, wo wir essen hätten wollen.
Und nun will ich mit der Beschreibung einzelner Regionen und Routen beginnen, von Kirkenes im Nordosten bis zum Lyngenfjord.
Seit langem hege ich den Gedanken, auf meiner Homepage einen eigenen Beitrag Nordnorwegen zu widmen. Nun gab es hier nach dem Reisebericht von Pelle1 ein gewisses Interesse. Ich dachte mir also, dass ich hier in kleineren Portionen diesen Landstrich vorstellen werde, Touren beschreibe usw. Den gesamten Beitrag werde ich dann vielleicht einmal doch auf meine HP stellen, eine Zusammenfassung habe ich in einem anderen Forum ebenfalls veröffentlicht - der Anständigkeit halber sei dies gesagt.
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Nordnorwegen - Annäherungen an die Finnmark
Allgemeines
Lasst mich einmal ein paar allgemeine Worte über den Flecken Erde, der mich landschaftlich sehr in seinen Bann geschlagen hat, erzählen.
Die Finnmark ist der nördlichste Verwaltungsbezirk (Fylke) Norwegens. Sie beginnt im Westen kurz vor dem Langfjord, einem Seitenarm des Altafjords und setzt sich entlang der Küste bis an die russische Grenze fort. Im Süden erstreckt sich die Finnmark bis an die finnische und schwedische Grenze. Da aber meines Erachtens der westlich angrenzende Teil des Beziks Troms bis hin zum Lyngenfjord große Ähnlichkeit mit der Finnmark hat, nehme ich ihn in meine Betrachtungen hinzu.
Ich werde euch ein wenig über Land und Leute erzählen und mit euch die wichtigsten Routen abklappern. Ich werde euch erzählen, wo es uns besonders gut gefallen hat und wo man vielleicht sich etwas länger aufhalten könnte.
Diese Beschreibung kann und soll keinen Reiseführer ersetzen. Wenn es mir aber gelingt, auch nur einen für meine Lieblingsregion zu begeistern, so habe ich mein Ziel weit mehr als erreicht.
Landschaft
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0846.JPG
„Auf einer Schiffsreise in den Norden ist mir aufgefallen, dass es oberhalb
von Tromsø auf hunderte von Kilometern nur bemooste Felsen gibt. Da
kann ich nur jedem abraten, sich wegen des Stempels vom Nordkap
diesen Stress aufzuerlegen.“
Solche Worte habe ich in einem Forum gelesen und sie haben mich zum Widerspruch gereizt. Grundsätzlich glaube ich dem Schreiber, dass er das Land vom Meer her so gesehen hat. Aber ist das ganze Land so? Nein, es gibt eine große Vielfalt, von kleinen Ackerflächen über Wald und Wiesenflächen bis hin zu den „bemoosten Felsen“, die stark an die hochalpinen Regionen erinnern.
Das Land lag in der letzten Eiszeit unter einem dicken und schweren Eispanzer. Als dieser in der folgenden Warmzeit, die ja noch immer andauert, schmolz, begann sich das Land, das jetzt von der schweren Last befreit war, zu heben. Dieser Hebeprozess dauert noch immer an und ist in manchen Regionen gut zu erkennen, wo Felsenriffe, die zuvor im Wasser lagen, nun einige Meter über dem Meer zu finden sind.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0508.JPG
Teilweise sieht man auch vom Gletscher blankpolierte Felsen.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_7625.jpg
Und da die Vegetation hier nicht so schnell Fuß greifen kann, gibt es auch Felsen, die quasi die geologische Geschichte erzählen, abgeschieferte Geröllfelder und vieles mehr. Aber überall versuchen sich da ein Büschel Glockenblumen oder dort ein paar Grashalme festzukrallen und dem Wind zu trotzen, der meist vom Meer her weht.
Weiter im Landesinneren wird das Klima kontinentaler, die Sommer sind wärmer, die Winter dafür kälter. Hier findet man Krüppelbirken und allerlei Buschwerk, dann auch Kiefern und Fichten. Moorige Flächen, vor allem im Süden, sind Standorte von allerlei Beerensorten, allem voran der Multebeere, die im unreifen Zustand rot und im reifen Zustand gelb ist und dann gepflückt wird.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0845.JPG
Tiefe Fjorde zergliedern die Küste. Dazwischen liegen kleine Halbinselchen mit einigen wenigen hundert Metern Höhe. Meist führen die Straßen entlang dieser Fjorde, winden sich dann auf der einen Seite auf diese Halbinselchen hinauf und auf der anderen Seite zum nächsten Fjord hinunter.
Vor und in diesen Fjorden liegen Inseln – große Inseln, die bewohnt sind und mit der Fähre erreicht werden können, kleine Inseln, auf denen manchmal auch noch eine Hütte zu finden ist und solche, die völlig unbewohnt sind.
Wetter
„Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.“
Meine Erfahrung bezieht sich auf die Monate Juli und August und ist äußerst vielfältig. Da gab es Jahre, in denen es äußerst warm war. Da ging man in kurzer Hose, T-Shirt und Sandalen herum und hatte nachts Probleme, weil es nicht abkühlt, wenn die Sonne nicht untergeht. Da hatte es in Berlevåg tagsüber 27 °C, im Landesinneren war es noch wärmer und das über Wochen hinweg!
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0601.JPG
Kühlendes Eismeer
Dann gab es Zeiten, in denen es 12 °C hatte, immer wieder regnete und bedeckt war, der Wind blies an der Küste, im Landesinneren war es etwas angenehmer. Auch Schlechtwetter am Meer ist für uns faszinierend, wenn die Wellen peitschen und der hohe Seegang auch große Schiffe beutelt.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_3246.JPG
Nachlassender Sturm am Eismeer
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_3239.JPG
Auch Schlechtwetter hat ein Ende
Vielfältige Kleidung ist angesagt, man weiß im Voraus nie, was man brauchen wird.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_4597.JPG
Besser einen Anorak mitnehmen
Sonnenstand
„Ich fahre im Juni zur Sonnenwende ans Nordkap. Ich will ja schließlich die Mitternachtssonne sehen.“
Am Nordkap erreicht die Mitternachtssonne ihren tiefsten Stand durchschnittlich um 23:17 Uhr MEZ bzw. 00:17 Uhr MESZ und ist hier vom 11. Mai bis zum 31. Juli zu beobachten.
In Hammerfest sieht man sie vom 16. Mai bis zum 27. Juli und in Berlevåg vom 16. Mai bis zum 29. Juli. In dieser Zeit geht die Sonne nie unter, sie zieht mehr oder weniger hohe Kreise am Himmel und die Abenddämmerung geht nahtlos in die Morgendämmerung über.
Wer also die Mitternachtssonne sehen will, muss keinesfalls ans Nordkap fahren. Zudem sieht man wegen des dort sehr oft liegenden Nebels die Mitternachtssonne nicht so oft wie in anderen Regionen.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_8116.jpg
Mitternachtssonne in Berlevåg
Große und kleine Tiere
Wer will keinen Elch sehen, wenn er in den Norden fährt? Wir hatten schon viele Skandinavien-Urlaube hinter uns und noch nie einen Elch gesehen. Eines Tages, wir waren auf der Rückfahrt von Berlevåg auf der Varanger-Halbinsel unterwegs, stand „er“ da, mitten auf der Straße, ließ sich geduldig fotografieren, eher wieder in den Wald zurückkehrte, wo ein zweiter Elch stand!
Inzwischen haben wir mehrmals Elche gesehen, auch in der Finnmark und sind sicher, dass wir noch öfter, viel öfter welche sehen hätten können, wenn wir genauer geschaut hätten und diese riesigen Tiere nicht so perfekt getarnt wären!
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0684.JPG
Nicht zu übersehen sind allerdings die Rentiere. Sie lieben es neben der Straße zu äsen, oft machen sie einen Satz auf die Straße und man kann eigentlich nie genug aufpassen, um eine Kollision zu vermeiden. Rentiere haben immer einen Besitzer und bei einem Zusammenstoß ist die Polizei heranzuziehen. Besonders spannend ist es auch, wenn Rentiere in Tunnels Schutz vor Sonne suchen und die Autos höchst widerwillig vorbeilassen.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_0836.JPG
Gewöhnliche Rotfüchse verbreiten sich in Skandinavien immer mehr und verdrängen im Norden den dort heimischen Polarfuchs. Füchse konnten wir schon mehrmals beobachten, auf dem Campingplatz oder neben der Straße. Besonders hatten es uns diese beiden angetan, die uns auf der Strecke zwischen Lakselv und Karasjok die Weiterfahrt kurzfristig unmöglich machten.
http://www2.messerschmidt.co.at/images/ ... G_4479.JPG
Der Vielfraß ist ein in Nordnorwegen heimisches Tier, ebenso der Wolf. Einer der beiden lief einmal etwa 20 m vor unserem WoMo vorbei und wir waren so erstaunt, dass wir kein Foto machten. Was es nun wirklich war, darüber können wir leider keine Auskunft geben.
Nicht zu Übersehen und Überhören sind im Sommer die unzähligen Vogelarten, allen voran die Möwen, aber auch die Seeschwalben mit ihrem langen roten Schnabel und dem eigenartigen Piepen. Achtung bei Wanderungen! Die Vögel nisten oftmals einfach im Gras und können aggressiv werden, wenn man dem Nest zu nahe kommt. So attackierte eine Möwe einmal den Kopf unseres Vaters (er hatte sich nur ein paar Meter vom WoMo entfernt), der eiligst die Flucht ins WoMo antrat.
Nicht zu Übersehen und Überhören sind wohl auch jene Tiere, die mit wissenschaftlichem Namen Culicidae heißen. Besser sind sie wohl unter dem Namen Stechmücken (D: Mücken, Ö: Gelsen) bekannt. Angeblich kommen und gehen diese Blutsauger mit den Touristen! Ist das Frühjahr eher trocken, so gibt es weniger von diesen Mini-Vampiren, dann gibt es wieder Jahre, wo sie fast unerträglich sein können, vor allem im Inland. An der Küste bleibt man in der Regel relativ gut verschont. Um uns zu schützen, verwenden wir ein potentes Mittel. Die im Norden sogar in jedem Supermarkt erhältlichen Mittel sind sehr gut wirksam, weil sie den Wirkstoff DEET enthalten. Dieser wird allerdings von Deutschen nicht besonders geschätzt, weil er u.a. Uhrbänder aus Kunststoff angreift.
Die Menschen
Wie sind die Menschen im Norden? Sind sie anders als Mitteleuropäer?
Im Allgemeinen bin ich gegen Pauschalurteile über Gruppen hinweg. Dennoch sind mir gewisse Dinge aufgefallen, die anders sind als in Mitteleuropa.
Da ist einmal der Faktor "Zeit". Wie oft haben wir keine Zeit, sind ungeduldig, weil es an der Kassa im Lebensmittelladen so langsam hergeht. Anders im Norden!
Das erste derartige Erlebnis hatte ich vor etwa 10 Jahren an der finnisch-norwegischen Grenze bei Utsjoki. Ich zitiere aus meinem Reisebericht, der auch auf unserer Homepage zu finden ist:
"An der Grenze in Utsjoki möchte ich in der dortigen Bank meine restlichen Finnmark in Norwegenkronen wechseln, da an diesen Stellen ja zumeist auch Münzen gewechselt werden. Die Bank erweist sich als „Ein-Frau-Betrieb“, zum „Inventar“ zählen noch sechs weitere Kundschaften – allesamt Männer – vor mir, die die Wartezeit offensichtlich als nettes Plauderstündchen empfinden. Als dann noch das Telefon läutet und die Bankbeamtin sich des Langen und Breiten mit der Kundschaft am Telefon unterhält, suche ich das Weite. Wahrscheinlich hat man hier oben noch viel, viel Zeit..."
Man spricht mit jemandem und das ist im Moment das Wichtigste. Erst wenn alles geklärt ist, kommt der nächste dran.
Ich denke an den Elektriker, der in Berlevåg unseren Kühlschrank vorerst wieder zum Laufen brachte: ein älterer Herr, bedächtig, ein Lächeln, Zeit für ein wenig Smalltalk nach getaner Arbeit...
Und damit bin ich auch schon bei einem zweiten Punkt, der im Norden anders ist: Man ist auch Fremden gegenüber sehr hilfsbereit, schließlich ist das ja in der Einsamkeit notwendig. Da hatten wir 2006 eine Panne mit dem Wohnmobil, die Servolenkung verlor langsam Öl und in Øksfjord, einem winzigen Ort abseits der Hauptrouten, wurde es notwendig, an einem Sonntag dieses Öl zu beschaffen, was in Mitteleuropa wahrscheinlich kaum möglich wäre – hier geht es: Die Besitzerin des Ladens, in dem man das Öl bekommt, sperrt extra auf und verkauft zwei Liter Öl…
Oder man wird unterwegs plötzlich aufgehalten. Ein Auto am Straßenrand kann nicht gestartet werden, weil die Batterie leer ist. Hier hilft man, das ist selbstverständlich.
Man fährt durch einsame Regionen – sind sie wirklich so einsam? Nein, oft verbirgt sich hier hinter einer Felsnase, dort hinter einer Baumgruppe eine Hütte. Als Norweger hat man eine Hütte. Man verbringt dort Ferien oder Wochenenden, fischt, geht in die Sauna, entspannt. Parkplätze am Straßenrand, oft auch Briefkästen verraten, dass sich hier irgendwo eine Hütte befinden muss.
Ein eigenes Thema sind die Samen, bei uns auch als Lappen bekannt, was die Menschen jedoch zumindest teilweise als diskriminierend empfinden. Die Samen leben von Mittelschweden bis nach Russland und haben eine eigene Kultur und Sprache. Viele von ihnen leben heute noch von der Rentierzucht. Man sieht sie durchaus auch in ihrer typischen Tracht mit der vierzipfeligen Mütze abseits von Touristenfallen in Supermärkten oder einfach auf der Straße. Sich über das harte Leben der skandinavischen Urbevölkerung zu informieren, halte ich beim Besuch Nordskandinaviens für ein Muss. Wo dies allerdings geschieht, sei dem geneigten Leser überlassen. Das Arktikum in Rovaniemi bietet einen ausgezeichneten Überblick, dazu gibt es noch viele kleinere Museen, z.B. am Varangerbotn, die das Leben dieses Volkes näherbringen. Nicht versäumen sollte man es auch, sich die samische Sprache im Radio anzuhören, ist sie doch so ganz „anders“, da sie der finnisch-ugrischen Sprachgruppe angehört.
Einkaufen, Essen und Trinken
Das ist ein heikles Thema, zumal Ansprüche doch so ganz verschieden sind.
Da gibt es Norwegenfahrer, die von daheim alles mitnehmen. Jeder Tag ist genau geplant, das Gulasch ist im Einsiedeglas im Stauraum, das Dosenbier ebenfalls, nicht zu vergessen die Keks, das Dosenbrot und die Haltbarmilch…
Fest steht, dass die Preise deutlich höher sind als in Mitteleuropa, wobei man nirgendwo den Fehler machen darf, das günstigste Angebot von daheim mit einem x-beliebigen Laden auswärts zu vergleichen. Manche Warengruppen liegen im Preis auf vergleichbarem Niveau, andere lässt man lieber links liegen. Wen das Mineralwasser so teuer ist, kann man doch ohne Probleme auf das exzellente Trinkwasser ausweichen, statt der teuren (und für unseren Geschmack nicht sehr ansprechenden) Wurst gibt es Pasteten und wunderbaren Käse. Milch und Milchprodukte sind überall in großer Auswahl zu haben. Dunkles Brot gibt es nicht, allenfalls graues, das frische Weißbrot ist keine Offenbarung, aber o.k. Wer selbst fischt, lebt wie im Schlaraffenland: Für das Fischen im Meer benötigt man nicht einmal eine Fischkarte, allerdings ist die Ausfuhr von Fisch mengenmäßig begrenzt. Fleisch wird weniger gegessen, es ist auch von der Qualität her – vorsichtig gesagt - nicht ganz so toll. Dafür bekommt man halbwegs ordentliches Geselchtes (Selchfleisch), das die Norweger selbst auch zum Grillen verwenden. Die Auswahl an Obst und Gemüse ist in den letzten Jahren deutlich besser geworden, allerdings sind die Preise in dieser Warengruppe eher sehr hoch.
Und der Alkohol? Nun, im Lebensmittelladen bekommt man maximal Bier mit einem Alkoholgehalt von 4,5 %. Alles andere ist nur im Spezialgeschäft zu bekommen (Vinmonopolet). Die Mitnahme von Alkohol aus EU-Ländern ist in nur geringen Mengen gestattet, angeblich wird auch dann und wann kontrolliert, am meisten offensichtlich, wenn man in das Land mit der Fähre einreist.
Man kauft am besten in den etwas größeren Orten für ein paar Tage ein, um dann auf der sicheren Seite zu liegen.
Wir waren nirgendwo auswärts essen, wir haben auch nichts gesehen, wo wir essen hätten wollen.
Und nun will ich mit der Beschreibung einzelner Regionen und Routen beginnen, von Kirkenes im Nordosten bis zum Lyngenfjord.